Die Würde des Menschen ist unantastbar
Eine
Nach-Denkschrift
Das vorliegende Positionspapier bezieht sich auf
die als „Denkschrift“ bezeichnete Stellungnahme der Mitglieder des
Landesvorstands der CDU und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion
in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer. Die von ihnen vorgelegte
Positionierung erhebt den Anspruch, die Kommunal- und Europawahlen zu
analysieren.
Auf
das gesellschaftliche Klima, das zentrale Werte unseres Gemeinwesens infrage
stellt, gehen sie in ihrer Analyse nicht ein: den geschwundenen gegenseitigen
Respekt, das unzureichende Vertrauen in staatliche Institutionen oder dass Bürgerinnen
und Bürger ihr Engagement aufgrund von Anfeindungen einschränken. Sie gehen
nicht auf die Hinrichtung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke und
anschließende Schmähungen und Häme ein. Und sie finden keine Worte zum Terror
selbsternannter „Wut-Bürger“ gegen Andersdenkende und Migranten, die
dramatischen Folgen demografischen Wandels oder einer nicht nachhaltigen
Wirtschaftsform, die Lebensqualität und Chancen folgender Generationen massiv
und unumkehrbar beeinträchtigt. Jeder einzelne der nicht erwähnten Aspekte ist
geeignet, die Würde vieler Menschen zu verletzen.
Stattdessen
werden Behauptungen aufgestellt, wie z. B. dass sich die aktuelle Stärke der
Grünen aus der Verweigerung öffentlicher Diskussionen zu zentralen Themen
speisen würde. Die CDU solle einem linken Mainstream aus gesteuertem
Gutmenschentum und Klimaverständnis entgegentreten, da eine solche Diskussion
der Todesstoß für Industrie, Landwirtschaft und Mobilität in Deutschland
wäre. Zudem, so die Autoren, würden ungesteuerte Migration, eine Zunahme
von brutaler Kriminalität und ein völlig unvorbereiteter Rechtsstaat das
Demokratiemodell überdehnen.
Mit
diesen Aussagen wirft das Positionspapier mehr Fragen auf, als es Antworten
liefert: Wer steuert denn die „Gutmenschen“? Bedeutet eine „deutliche Politik
mit klaren Aussagen“ die Enthüllung einer hier implizierten Verschwörung? Wie
verträgt sich ein derartiges Herangehen mit der Suche nach parteiübergreifendem
Konsens? Wird eine konstruktive Bezugnahme auf existentielle Themen wie Migration
und Klimawandel mit parteipolitischer Taktik gleichgesetzt? Schließlich ist z.B.
die Klimakrise kein Gegenstand parteipolitischer Profilierung, die sich nach
taktischem Belieben ablehnen oder umdeuten ließe.
Aus Sicht
der Verfasser liegt die Lösung darin, das Soziale mit dem Nationalen zu
versöhnen, wobei Heimat und nationale Identität sich gegen
multikulturelle Strömungen abzugrenzen hätten. Gedanken werden Worte und
aus Worten werden Taten. Eine Argumentation, die Nationalismus, Heimat und
Identität als Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden verwendet, hat in der
Vergangenheit millionenfachen Tod und Elend gebracht. Die bewusst gesuchte
begriffliche Nähe zeigt die Zielrichtung des Vorstoßes, nämlich den
Schulterschluss zwischen konservativen und nationalistischen Kräften.
Ohne
Zweifel steht unsere Gesellschaft vor existenziellen Herausforderungen und ist
auf der Suche nach einem breiten gesellschaftlichen Konsens. Diese Situation
wird von den Autoren zum strategischen Kalkül einer gesellschaftlichen Elite umgedeutet,
die angeblich Freiheit und Wohlstand Deutschlands gefährden.
Ob
und inwieweit derart verkürzte, verunglimpfende und verzerrende Argumente das
politische Handeln der CDU bestimmen, bedarf dringend inhaltlicher Klärung.
Denn Wählerinnen und Wähler müssen wissen, welche CDU sie wählen: Eine Partei,
die sich einem christlichen und humanitären Menschenbild verbunden fühlt, oder
eine Partei, in der nationale Töne und Intoleranz den Ton bestimmen; eine
Partei, die unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen bündeln und versöhnen
oder Menschen gegeneinander ausspielen möchte.
Im
Wissen, dass der von Menschen forcierte Klimawandel dauerhafte Schäden bewirkt,
ist schnelles und entschlossenes Gegensteuern die Voraussetzung für den Erhalt unserer
Lebensgrundlagen. Bereits jetzt sind Menschen gezwungen, ihre Heimat zu
verlassen, weil bisherige Maßnahmen gegen Klimaveränderungen zu zögerlich, zu spät
und unzureichend waren.#
In
seiner teilweise widersprüchlichen Argumentation wie auch in der Herabsetzung
anderer Meinungen fördert das Positionspapier gesellschaftliche Spaltung, verstößt
es gegen zentrale Werte unserer Gesellschaft und erschwert es eine konstruktive
Antwort auf elementare Fragen: Wie können wir nachhaltig wirtschaften, um
unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt zu hinterlassen? Wie stellen
wir angesichts dramatischer demografischer Entwicklungen sicher, dass wir
unsere Kinder und unsere Eltern versorgen, wenn z.B. in Sachsen-Anhalt im Jahr 2035
ein Erwerbstätiger auf einen Nicht-Erwerbstätigen entfällt? Wie lässt sich eine
Verbesserung der Lebensverhältnisse in Stadt und Land finden? Wie können
Bildungschancen verbessert werden, um durch Fleiß und Intelligenz das
Aufstiegsversprechen unserer Gesellschaft einzulösen? Oder wie können Menschen
befähigt werden, die Digitalisierung erfolgreich zu bewältigen? Wie können wir
gesellschaftliche Mitwirkung fördern, um die Akzeptanz schwieriger
Entscheidungen zu erreichen? Kurz: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Es
sind die Antworten der CDU auf solch drängende gesellschaftliche Fragen, die darüber
entscheiden werden, ob sie ihren Status als in der Mitte der Gesellschaft verankerte
Partei und ihre Anschlussfähigkeit zu anderen Parteien aufrechterhalten kann.
Dazu nötige Diskussionen sind vor den anstehenden Landtagswahlen in
Brandenburg, Sachsen und Thüringen parteiintern aber auch öffentlich zu führen.
Wir,
die Unterzeichnenden dieses Diskussionspapiers, appellieren an Bürgerinnen und
Bürger, sich in diese Debatte einzubringen und an die CDU, sich mit der
„Denkschrift“ auseinanderzusetzen. Wir appellieren an ihre Parteimitglieder,
sich aktiv in diesen Klärungsprozess einzubringen. Wir appellieren an die CDU,
sich weiterhin in der Mitte unserer Gesellschaft zu verankern und ihr Wertefundament
offensiv zu verteidigen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Erstunterzeichnende
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Nadia Ahmad
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Studentin
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Rüdiger Bender
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Philosoph
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Sören Brenner
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Pfarrer
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Dirk Fuhlert
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Bürgermeister
Hettstedt
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Silvia Greim-Asam
|
Sozialarbeiterin
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Friederike Harder
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Projektreferentin
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Kai-Oliver Krug
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Komponist
und Musikproduzent
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Stephanie Meinhardt
|
Orthoptistin
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|
Raimund Müller
|
Einzelhändler
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|
Carsten Nenast
|
Fachkrankenpfleger
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Finja Katharina Nierth
|
Artist
Manager/A&R Creative Manager
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|
Jelka Kristiana Nierth
|
Studentin
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|
Markus Nierth
|
Theologe
und Referent
|
|
Susanna
Nierth
|
Tanzpädagogin
und Referentin
|
|
Birgit Päßler
|
Angestellte
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Dr.
Sven Petry
|
Pfarrer
|
|
Gabriele
Poeck
|
Schulleiterin
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Ralf Puhr
|
Rechtsanwalt
|
|
Katrin Schinköth-Haase
|
Schauspielerin
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Karl-Hermann Schmeck
|
Theologe
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|
Claudia Schützhold
|
Osteopathin
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Dr. Andreas Siegert
|
Wissenschaftler
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Roland Striegel
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Ingenieur
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Lothar Tautz
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Pastor
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Gerda Walter
|
Lehrerin i.R.
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|
Hans-Ulrich Walter
|
Gymnasiallehrer i.R.
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|
Robert Weinkauf
|
Musiker
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Mika Willmy
|
Schüler
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Online kann
der Appell unterzeichnet werden bei https://www.openpetition.de/petition/online/eine-nachdenk-schrift-die-cdu-als-partei-der-mitte-positionieren
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